Wenn man Dinge regelmäßig macht, entstehen Routinen. Inzwischen weißt ich schon ganz genau, was ich vorher und während eines Abholtags mache. Das hilft mir psychisch mich darauf einzustellen, dass der Alltag ab diesem Tag etwas anders sein wird.
Als Pflegestelle für die Tierhilfe Lebenswert e.V. stelle ich mein Zuhause, Raikos Schlafplätze und meine Zeit den Rumänen zur Verfügung. Zwei bis viermal im Jahr suche ich mir eine geeignete Hündin aus, die dann geimpft, meistens auch bereits kastriert in Bucov oder Campina in einen Transporter steigt und 20 Stunden später entweder in Fürth, Adelsdorf oder Oberschleißheim aussteigen darf. Geeignet heißt für mich, Energielevel nicht Duracellhase, damit ich den Stress für Raiko so niedrig wie möglich halte. Entspannter und nicht so ängstlich, weil den Pflegi erwartet bei mir erst mal Stadtleben und das kann ich keinem Hund antun, der im Kennel selbst schon nur in der Ecke wimmert. Das überlasse ich den Pflegestellen, die einen großen Garten haben und bestenfalls Verhaltenstherapeuten für Hunde sind. Wichtig ist mir auch, dass die Hündin freundlich auf andere Hunde reagiert und ich in den Videos aus dem Sheltern sehe, dass sie die Hundesprache versteht und Krawall aus dem Weg geht. Eigentlich funktioniert das unter den Hunden, die mit mehreren im Kennel sitzen recht gut, aber ich weiß natürlich nie wie die Zusammenstellung ist. Es ist jedes Mal ein bisschen wie Lotto spielen und bisher hatte ich aufgrund meiner eigenen Auswahl immer eher ängstlichere Hunde, die aber das Potenzial haben noch sehr aufzublühen und selbstbewusster zu werden.
Das ist meine letzte Pflegehündin Shannon – sie kam ganz schön zerstruppelt an.
Der Umzug von Rumänien nach Deutschland bedeutet purer Stress für die Hunde
Bei Angst gibt es ja die bekannten 5 F’s (Flight, Freeze, Fight & Fiddle bzw. Flirt) und davon bevorzuge ich alle außer Fight, logischerweise. Mir ist es lieber, der Hund bleibt bei Angst zurückhaltend, friert ein, oder wird ein bisschen wilder, als dass er in den Angriff startet. Das wäre irgendwo sicherlich händelbar, aber angenehm wird es dadurch für Raiko und mich nicht – das muss ich ehrlich zugeben. Manchen kann man in den Videos bereits sehen, manches eben nicht. Dass ein Hund nach 20 Stunden Fahrt, dem Herausreißen aus seiner bisher bekannten Umgebung, Angst hat, ist mehr als nur nachvollziehbar. Plötzlich fassen dich zig Hände fremder Menschen an und du wirst am Ende des Tages in einer total neuen Umgebung aufwachen, vielleicht auch zum ersten Mal, mit einem Dach übern Kopf und keine Gitterstäbe zwischen Dir und Menschen – das ist viel, wirklich viel.
Am Ankunftstag bin ich vorbereitet. Transportbox im Auto, falls der Hund nicht anfassbar ist und deswegen nicht mit Menschen und Hunden zusammensitzen kann. Raiko im Auto, damit er sich aus dem Auto heraus schon psychisch darauf vorbereiten kann, dass wieder jemand neues einzieht. Das mag jeder anders handhaben, mein Hund braucht eine Vorbereitung, es überlastet ihn zu sehr, wenn plötzlich ein neuer Hund im Gang steht. Dann habe ich immer eine Begleitperson dabei, die ich darauf vorbereitet habe, dass man während der Fahrt nach Hause nichts essen kann, weil der Gestank im Auto aufs Maximum ansteigt. Zu zweit lässt sich ein Hund auch besser abwechselnd tragen, denn Treppen steigen war bisher noch nie ein Skill, den sich die Hunde in den Lebenslauf schreiben konnten.
Die Vergangenheit zurücklassen und den Shelter-Gestank loswerden
Zuhause angekommen steht im Bad alles bereit: Handtücher bis zur Decke gestapelt, Hundeshampoo, Flohkamm und Käsestücke auf
dem Goldtablett zur Einstimmung auf das Luxusleben, dass sie erwartet. Ich weiß nicht wer darauf warten kann, aber jahrelanger Straßen- und Shelterduft hat wirklich eine ganz besondere Note und darf sofort in die ewigen Jagdgründe gehen. Wenn schon eh der Stress da ist, dann darf da auch noch ein zusätzlicher draufkommen zur Erleichterung aller anwesenden Nasen. Manchmal frage ich mich, ob Raiko sich denkt, na immerhin muss die Neue Baden und ich werde dafür in Ruhe gelassen. Wobei er ab und zu nachschauen kommt, ob nicht doch noch ein Käsestück übrig bleibt, weil die Neue zu gestresst ist, um irgendwas zu essen.
Danach kehrt erst mal Ruhe ein. Wir lassen den Neuankömmling erst mal in Ruhe trocknen und erkunden, während wir uns selbst frisch machen und ich den ersten Kaffee des Tages genieße (davor würde ich nur speien vor Aufregung, wenn ich Kaffee vor der Autofahrt trinke). Apropo Ruhe, für mich ist die Zeit, in der ich einen Pflegehund bei mir habe, auch eine Ruhezeit. Ich sage im Vorfeld keinen unnötigen Verpflichtungen mehr zu und halte meine Sozialkontakte auf einem Minimum, um mich vollkommen den Hunden zu widmen und sie so gut wie möglich mit Raiko und meiner Umgebung in Einklang zu bringen.
Wie es weitergeht, lest ihr demnächst, wenn IWA einzieht.
Comments