Für die meisten Hundetrainer ist ein öffentlicher Hundeauslauf der Abgrund zur Hölle – warum ich mich trotzdem ab und zu mit meinen Hunden auf sowas traue, habe ich an dieser Stelle zusammengefasst.
Sodom und Gomorrha – das war irgendwann mein erster Gedanke, wenn Kund:innen mir erzählen, dass sie ihre Hunde zum Spielen auf die Hundewiese bringen. Denn das was ich da sehe, hat oft überhaupt nichts mit Spielen am Hut. Da wird gemobbt, kleinere Hunde als Beuteersatz gesehen und von der Übererregung und dem Stress, den viele Hunde da haben, will ich gar nicht erst anfangen. Hinzu kommt, dass die Hunde versuchen bei ihren Halter:innen Schutz zu suchen, diese die Signale aber nicht sehen oder fehlinterpretieren. Kommunikation ist in diesen Fällen dann wohl doch eine Einbahnstraße.
Damit das dir und deinem Hund nicht passiert, kommen hier die Vorteile einer Hundewiese, die du im Training mit deinem Hund nutzen kannst:
#1: Dein Hund hat die Möglichkeit mit Dynamik umgehen zu lernen
Hier ein E-Roller, da ein Fahrrad, rennende Kinder und dann noch ein stürmischer Hund im Freilauf? – das kann für Menschen, wie auch für Hunde sehr überfordernd sein. Die Welt um uns herum ist hektisch genug, und wenn Du und Dein Hund dann auch noch mit einem halb leeren Impulsglas aus der Haustür gehen, dann kann es auch schon mal krachen. Besitzer:innen von reizreaktiven Hunden kennen es zu gut.
Nun ist es ja so, dass allein vor einem Leckerli warten nicht ausreicht, um die Impulskontrolle ausreichend für alle Zwecke zu trainieren. Klappt weder beim Menschen gut, noch beim Hund. Klar, die Belohnungsverlagerung nach hinten wird damit super trainiert, auch, das Innehalten kann damit verstärkt werden. Geht es aber raus in die reale Welt, dann prasseln so viele Einflüsse auf Deinen Hund, dass die Übung von gestern schwer umzusetzen ist.
Wie soll das dann auf der Hundewiese klappen? Achtung, jetzt bitte genau lesen: Werf' Deinen Hund nicht in den Ring und erwarte, dass er es durch "da muss man mal durch" lernt. Da ich im positiven Hundetraining mit Anweisungen statt mit "nein – so nicht" arbeite, hier die positive Formulierung dazu:
Dein Hund lernt durch langsame Annäherung an Reize. Nutze also den Hundefreilauf als Reiz, mit dem du arbeiten kannst. Setzt bzw. stellt euch lediglich in die Nähe eines solchen und übt das ruhige Anschauen und Beobachten. Ist das alles noch zu aufregend und dein Hund schafft es nicht in Ruhe, dann sollte die Distanz erhöht werden. Zeigt dein Hund beim Anblick rennender Hunde deeskalatives Verhalten, also geht er zum Beispiel ins Schnüffeln, oder schaut weg, dann belohne das Verhalten. Du kannst auch das Weggehen aus der Situation belohnen, wenn du merkst, dass dein Hund dieses Verhalten zeigt, weil für ihn dieser Moment etwas schwierig ist.
Geht nach Hause, wenns grad am besten läuft, sodass ihr auch mit einem Erfolgserlebnis die Übung beendet. Ehrgeiz ist klasse, aber Übermut nicht förderlich.
#2: Dein Hund Lernt höfliches und Alternatives Verhalten
Dein Hund schafft es bereits die Dynamik auszuhalten, ohne zu sehr in Erregung zu verfallen oder deutliche Stressanzeichen zu zeigen? – dann kannst du dich auch langsam Richtung Hundefreilauf wagen.
Ich passe dafür bewusst Zeiten ab, wo keine großen Trauben an Menschen und Hunden unterwegs sind. Ich will weder mich noch einen meiner Hunde in unangenehme Situationen bringen und vor allem meinen Begleiter nicht unnötig überfordern. Denn wer zu gestresst ist, trifft keine schlauen Entscheidungen.
Das solltest du so gut wie möglich auch umsetzen, und dabei auf dein Gefühl und deinen gesunden Menschenverstand achten. Bewaffnet mit Clicker und Belohnungen kann es dann auch losgehen. Bewaffnet klingt so sehr nach Krieg, aber mir fällt gerade keine pazifistischere Beschreibung ein.
Beim Betreten des Randes eines belebten Auslaufs kann man bei den meisten Hunden schon Konfliktverhalten erkennen. Da wird die Pfote gehoben, an Büschen geschnüffelt und die Erregung steigt leicht. Der Konflikt kann sein "ich will sehen was hier ist, aber mir ist das nicht geheuer"oder "Oh, da sind fremde Hunde, ich will sie kennenlernen, aber ich hänge an dieser Leine und will meine Bezugsperson nicht verlassen."
Wenn dein Hund eher nicht hin zu den Hunden will, dann gib ihm die Möglichkeit mit dir gemeinsam einen Bogen um diese Hunde zu laufen. An der Leine oder auch im Freilauf. Belohne auch das gerne zusätzlich. Abstand zu halten ist bereits eine Belohnung (negative Verstärkung: ein unangenehmer Reiz wird weggenommen – Erleichterung) und wenn du das Verhalten zusätzlich positiv verstärkst, dann lernt dein Hund, dass mit Abstand vorbeigehen auch eine Methode ist um den Kontakt mit anderen zu meiden. Achtung, hier solltest du darauf achten, dass nicht plötzlich doch ein Hund auf euch zurennt.
Würde sich dein Hund über den Kontakt freuen und der Kontakt ist von den anderen auch gewünscht, dann kannst du den Kontakt als ultimative Belohnung nutzen. Wichtig ist hier, dass du den Impulstopf deines Hundes nicht unbedingt vorher leerst, indem du vor der Kontaktfreigabe schwierige Tricks abverlangst. Beispiel: Fällt es ihm schwer bei so vielen Reizen ein sauberes Platz zu machen, dann fordere das bitte nicht ein. Stattdessen übe doch vielleicht ein entspanntes an der Hundegruppe vorbeilaufen – erst auf Distanz und dann auf geringe Entfernung. Die Freigabe zum Spielen und Rennen beendet die Übung.
Kleiner Hinweis: Donnert dein Hund mit einem hohen Erregungsniveau in eine Hundegruppe, dann ist die Chance, dass es da zu Explosionen kommt, sehr hoch. Gleichzeitig verbindet dein Hund die Begegnungen mit anderen mit Aufregung – dann fällt es ihm in Zukunft auch schwerer andere Hunde zu sichten und dabei ruhig zu bleiben.
#3: Du und dein Hund erfahren Sicherheit im Umgang mit Kontakten im Freilauf
Durch Übung werden sowohl Menschen als auch Hunde sicherer; egal ob es um einen Handgriff im Job, um das Nachkochen eines Rezepts oder eben die Begegnung im Freilauf geht; je häufiger etwas wiederholt wird und es dabei einen positiven Ausgang für alle Beteiligten gibt, desto sicherer wird man darin.
Das heißt, baue und plane die Begegnungen so, dass sie auf jeden Fall für euch einen positiven Ausgang haben und überschätze Deine und die Fähigkeiten deines Hundes dabei nicht. Gehe lieber wieder aus der Situation, als euch zu überfordern.
Beispiel: du planst Begegnungen im Freilauf zu trainieren, läufst freudig schon Richtung Hundewiese und siehst aber aus der Entfernung bereits mehrere Eskalationen zwischen Hunden. Alles klar, dann gehst du vielleicht heute nur mit Abstand daran vorbei und bringst Dich und Deinen Hund nicht in eine Situation, in der ihr ebenfalls Teil der Eskalation werdet.
Im Laufe der gemeinsamen Zeit lernst du Deinen Hund viel besser kennen und kannst es schon riechen, ob sich Deine Entscheidungen positiv auf ihn auswirken. Gleichzeitig kann sich dein Hund so immer mehr auf Dich verlassen und gibt dann wie viele sagen "Kontrolle ab", was einfach nur bedeutet: "Hey, ich weiß du wirst für mich den machbaren Weg wählen, ich vertraue Dir!"
Indem du Kontakt mit anderen Hunden zulässt und dein Hund Strategien lernt damit umzugehen, erfährt er auch Selbstwirksamkeit und mit mehr positiven Erfahrungen auch Selbstbewusstsein. Deswegen finde ich, dass ein Gang in den Hundefreilauf durchaus auch fruchtbar ist – solange er strukturiert stattfindet.
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